ELF: Chaostage schon vor dem Start
Mitte November kam der große Knall in der Football-Szene: Patrick Esume gab seine neuen Pläne bekannt: Die Gründung der European League of Football.
Es ist in erster Linie dem deutschen Verband des American Footballs geschuldet, dass sich Einzelpersonen zusammensetzen und über Plänen brüten, wie man die Situation in diesem Sport verbessern könnte. Bereits im Sommer hat sich dazu eine Gruppe namens „Restart21“ zusammengesetzt und diskutiert seitdem offen über Strategien der Neugestaltung des AFVD. Dabei geht es um die Offenlegung der Geschäftszahlen und die notwendige Transparenz den Mitgliedsvereinen gegenüber, oder das öffentliche Auftreten des Verbands-Präsidiums.
Auf der anderen Seite hat sich eine Gruppierung aus möglichen Investoren im März letzten Jahres zusammengefunden, die einen etwas größeren Plan hat. Eine europaweite, professionell geführte Liga als Nachfolger der NFL Europe.
Die NFL Europe wurde 2007 von der Mutterliga in den USA aufgrund fehlender wirtschaftlicher Erfolge eingestampft, die Teams wie Rhein Fire, Frankfurt Galaxy und Hamburg Sea Devils aufgelöst.
„Wir wollen beim ersten Bowl eine 5-stellige Zuschauergröße erreichen und auch mit den Teams in den großen Stadien spielen“, deutete CEO Zeljko Karajica in einem Video-Statement, zusammen mit dem Comissioner der Liga, Patrick Esume an. Esume, ehemaliger Trainer der Kiel Baltic Hurricanes und auch der französischen Nationalmannschaft, ist heute Moderator bei ran auf ProSieben Maxx. Auch in der NFLE hatte Esume seine Zeit als Assistenztrainer und konnte auch bei den Cleveland Browns in der NFL im Trainingscamp ein paar Erfahrungen sammeln.
Esume jedoch ist nur das Aushängeschild der Liga. Der 47-jährige Hamburger wurde von dem Konsortium in Hannover gebeten, diesen Job zu übernehmen, um mit einem bekannten Gesicht aus dem Sport voranzugehen.
Fanzuspruch ist enorm
Bereits binnen weniger Tage wuchs eine Fanszene, die sich auf große Partys und spannende Spiele freute.
Nach dem ersten Boom folgten jedoch schon im Dezember einige „Klarstellungen“. Die „Professionalität“ sollte zunächst vor Allem bei den einzelnen Organisationen (Franchises) Einzug halten. Etat pro Team: 750.000 €. Bei den Spielern will man auf vorhandenes Material bei den vorhandenen Vereinen zurückgreifen. Die Importe sollen auf maximal 4 Spieler begrenzt werden. Nach der Bekanntgabe der ersten Franchises in Ingolstadt, Hildesheim, Stuttgart und Breslau (Wroclaw) wurde schnell klar: Die ansässigen Vereine werden Probleme bekommen.
In der Bundesspielordnung des AFVD ist klar festgeschrieben, dass ein Doppelstart in der GFL und einer Liga außerhalb des Verbandes nicht geduldet wird (BSO §5 Ilegaler Spielbetrieb außerhalb des AFVD). In diesem Falle würde der betreffende Verein nicht nur sein Team verlieren. Jeder Mannschaft in diesem verein würde die Lizenz verlieren, inklusive der Jugendmannschaften.
Ingolstadt und auch Hildesheim zogen somit direkt ihr GFL-Team aus dem AFVD zurück. Nur Stuttgart plante weiterhin zweigleisig, bleibt jedoch bis zum heutigen Tage einer Information schuldig, wie dieses Projekt laufen soll.
In Berlin, wo einige Tage später eine Franchise angekündigt wurde, legte Roman Motzkus als zukünftiger CEO des Teams seine Vorstandsarbeit bei den Berlin Adlern nieder. Dabei ging es um den Schutz des Berliner Teams um Streitigkeiten mit dem AFVD zu umgehen.
Es folgten Hamburg und Barcelona. Das gesamte Trainerteam der Elmshorn Fighting Pirates, gerade erst in die GFL aufgestiegen, wechselte in die Hansestadt und lies Elmshorn ohne eine Chance auf einen Spielbetrieb in 2021 zurück. Das dritte GFL-Team war tot.
ELF ohne Rücksicht auf den Vereinssport
Natürlich gab es auch erste Statements seitens des AFVD, der die Pläne stark kritisierte. Der Grund ist simpel, denn der Vereinssport war gefährdet. Ähnlich waren die Statements der Restart21-Gruppierung, die als dritte Partei zwischen den Stühlen sitzt und versucht, gerade die Vereine in eine bessere Zukunft zu führen.
Während in Breslau und Barcelona bereits früh die Combines liefen, sitzen die deutschen Teams bislang aufgrund der Corona-Situation auf dem Trockenen. Ebenfalls ein Faktor, der in der ELF-Zentrale in Hamburg unter den Tisch zu fallen scheint. Interne Quellen besagen, dass die Finanzierung der Liga auch ohne Zuschauer gesichert sei. Viel wichtiger ist der Vertrag mit ProSieben Maxx und ran, die alle Spiele in der Zusammenfassung und das Topspiel live präsentieren werden.
Eine weitere Brisanz der Liga folgte im Februar, als eine „Kooperation“ mit der NFL bekanntgegeben wurde. Dass diese Kooperation allerdings ausschließlich mit den Namensrechten der ehemaligen NFL Europe-Teams einherging, schien bei einigen Fans der neuen Liga kaum angekommen sein. Vielmehr gingen die Erwartungen erneut nach oben, was die Qualität der neu gegründeten Liga anging. Nur kurze Zeit später folgten die Ernennungen der Hamburg Sea Devils und der Frankfurt Galaxy. Während Frankfurt noch an seinem alten Logo hing, wählte Hamburg die Farben der Stadt. Was bereits auffiel: Die neuen Logos stammten größtenteils aus einem Logo-Portfolio von Online-Datenbanken, erhältlich für 45 € das Stück.
Bei der Professionalisierung hängt die Liga, nicht nur im Marketing, bis heute den eigenen Anforderungen hinterher. Selbst die Pressearbeit scheint bis dato völlig unorganisiert. Die Meldungen bislang: Oberflächlich und stark PR-haltig. Die Statements meist kaum aussagekräftig. Beim Merchandise sorgte man gleich für die nächste Überraschung: Es gibt eine erste Kollektion an Caps und Shirts, die zunächst auf 100 Stück limitiert wurde. Die Lieferfrist für diese „Kick-Off“-Kollektion beträgt 2 Wochen, dem Design gab es in den Foren nur wenig Zuspruch.
Mäßiges GFL-Level ist machbar
Inzwischen sind es nur noch drei Monate bis zum angekündigten Ligastart im Juni. Erste Coaches mit „NFL-Erfahrung“ wurden präsentiert, erste Spieler unter Vertrag genommen. An ein Training ist in Zeiten von Corona jedoch kaum zu denken. Die Gefahr: Verletzungen aufgrund der mangelnden Vorbereitung.
Einige Teams werden auf bestehende Mannschaften zurückgreifen. Das haben wir zu Beginn des Artikels bereits erwähnt. Breslau hat dabei die besten Karten. Das erfolgreiche polnische Team hat sich nur an wenigen Stellen verstärken müssen und greift auf erfahrene Spieler zurück, die auch international in der EFAF spielten. Für Hamburg gehen 80% des GFL-Aufsteigers aus Elmshorn an den Start. Punktuell versucht Coach Ted Daisher jedoch mit „Stars“ das Team aufzuwerten. Ein Local Hero dabei wird Kasim Edebali sein, der sich in der NFL nur kurzzeitig durchsetzen konnte.
Am 22. März wurde es dann plötzlich unruhig in der Liga. Um 10 Uhr kam die erste Pressemitteilung bei den Medien an. Hier erklärte Roman Motzkus das Aus der Franchise in Berlin. Nur zwei Stunden später folgte eine Meldung der ELF, worin die Auferstehung von Berlin Thunder bekanntgegeben wurde. Nur Minuten später zeigte sich Motzkus verwundert über diese Aktion, machte aber deutlich, dass die Gespräche seitens der ELF plötzlich und unerwartet abgebrochen wurden. Vorangegangen waren die Anmerkungen der Berliner Franchise, dass ganze Passagen der Absichtserklärung fehlten und Verträge nicht fixiert wurden.
Berlin sollte nicht die einzige Franchise an diesem Tag bleiben, die ihr Fett weg bekam. Auch Hildesheim (Hannover) und Ingolstadt waren von jetzt auf gleich nicht mehr Bestandteil der Liga. In kurzen Statements der beiden Franchises drückte man Enttäuschung aus, blieb die Grüne aber schuldig. Für beide Standorte war dieser Tag ein Schlag in die Magengrube, denn die GFL-Teams waren längst abgemeldet, der Spot verbrannt.
Plötzlich gab es zwei weitere Namen in der ELF. Die Rückkehr der Cologne Centurions, die wohl von den Falcons (3. Liga) und David Drane aufgebaut werden, sowie den Leipzig Kings, bei denen selbst die Lokalpresse rätselt, welche Organisation hinter dem Projekt stecken könnte.
Eine vorsichtige Einschätzung:
- Ein Start der Saison 2021 aufgrund der Pandemie dürfte fraglich sein
- Die Teams spielen maximal auf unterem GFL-Niveau
- Eine Vorbereitung in Deutschland war bislang nicht möglich
- Drei GFL-Teams sind bereits aufgelöst worden
- In Stuttgart ist die Situation noch vollkommen unklar
- Frankfurt hat zwei Parteien, die nicht im Guten auseinandergegangen sind
- Köln muss „Wildern“ um ein Team aufzubauen
- Einige GFL-Teams haben einen höheren Etat als die ELF-Franchises
- In Österreich dürfen zwei Import-Spieler mehr eingesetzt werden
- Barcelona Dragons spielen in „Reus“ – 110 km westlich von Barcelona
Die größte Problematik ist die Suggerierung einer Nachfolgeliga der NFL Europe. Hier aber waren maximal 8 Nicht-Amerikaner im Roster der Teams und das Level lang in Etwa auf NCAA-Niveau. Der Sport-Etat lag bei sechs Teams bei 32 Mio. Dollar. Eine solche Einordnung wird in den nächsten Jahrzehnten in keiner europäischen Liga möglich sein.
So schön und spannend eine ELF wäre, so gefährlich ist die Durchführung dieses Projekts für den American Football in Europa und vor Allem in Deutschland. Selbst bei einem Scheitern kann der Sport allerorts um Jahrzehnte in Sachen Medialisierung und sportlicher Entwicklung zurückwerfen. Die Tatsache, dass die drei Parteien, AFVD, Restart21 und ELF nicht kommunizieren wollen, macht eine strukturierte Arbeit im Sinne des Sports unmöglich.
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